Das Fastnet Race 2023 auf der Germania VI

In Amsterdam übernahmen wir das Schiff von der Crew der Sommerreise 1. Wir, das waren zu diesem Zeitpunkt elf von 14, die anderen drei würden später dazustoßen. Eigentlich wollten wir möglichst früh nach Cherbourg aufbrechen, doch es zog gerade ein kräftiges Tief durch, von dem wir abwarten wollten, bis das Gröbste durch war. Wir nutzten die Zeit für Vorbereitungen: letzte Einkäufe, Seezaun nachspannen, Kompassbeleuchtung reparieren, Probleme mit der Navigationssoftware beheben, Snack-Pakete packen und vieles mehr. Die To-Do-Liste für Cherbourg wurde naturgemäß eher länger als kürzer. Trotzdem blieb noch Zeit für eine Stadtbesichtigung und bei schönstem Sonnenschein schauten wir uns die Amsterdamer Altstadt an. Kurz vor der Fähre erwischte uns dann doch noch ein Schauer, sodass wir klitschnass an Bord zurückkamen. Quasi schon mal eine Eingewöhnung, nur eben mit Süßwasser. 

Gemeinsam wurde entschieden am nächsten Abend schon vor dem Abflauen aufzubrechen und Nacht hinein zu segeln. Der Schleusenwärter fand uns ein wenig verrückt, bei dem Wetter rauszufahren, aber wir waren uns ziemlich sicher, dass die Germania deutlich besser mit der Welle zurechtkommen würde als sein Schlauchboot. Trotzdem war das erste Stück der Strecke sehr nass und ruppig und auch mit der Hoffnung, dort weniger Welle zu haben, fuhren wir gleich auf die Englische Seite des Kanals rüber. Nachdem es sich ausgeweht hatte, war der Wind fast ganz weg, aber die White Cliffs of Dover im Sonnenschein und erste Delfine sorgten für gute Laune. Jetzt hatten wir auch Gelegenheit ein wenig herumzuspielen und uns zur Übung mit der Handhabung der Notpinne auseinanderzusetzten. Auf der Höhe von Cherbourg ging es dann mit vielen wachen Augen und nachts mit viel Lichtergucken quer durch den viel befahrenen Kanal. 

Nach guten drei Tagen kamen wir dann in Cherbourg an. Als Crew schon deutlich zusammengewachsen, mittlerweile eingeschaukelt und mit ersten Erfahrungen im geplanten Wachsystem hatten wir nebenbei wie geplant jetzt auch unseren Qualifier für die Regatta erfüllt. In Cherbourg blieben uns zwei volle Tage für alles, was noch gemacht werden musste: Noch ein paar Arbeiten am Boot, Ölzeug trocknen, Essen Vorkochen und Einfrieren für die Tage auf See, einen geeigneten Reserve-Anker, eine Schlepptrosse besorgen und Ausstauen. Weniger der Gewichtsersparnis wegen als vielmehr, damit nicht so viel Zeug Platz wegnehmen und herumfliegen konnte, wurde aus der Kombüse, dem Vorschiff, den Lasten und dem Gepäck im Transporter zwischengeparkt, was nicht gebraucht wird.

Am Donnerstag wurde die Crew dann komplett, bevor es am nächsten Tag 70 Meilen von Cherbourg nach Gosport ging, damit am Samstag nicht mehr weit zum Start würden fahren müssen. Für den Start war viel Wind angesagt. Der war auch da, als wir uns bei ganz leichtem Nieselregen Richtung Startlinie aufmachten. Mit Sturmfock und Trysegel ging es durch das Safety-Gate, einmal alle Westen und Lifebelts zeigen. Die vielen Schiffe beieinander waren ein sehr beeindruckendes Bild. Zwischendurch haben wir auch einige Bekannte gesehen. Wir waren allerdings viel zu beschäftigt, um uns aufs Umherschauen konzentrieren zu können. Alle waren auf ihrer Position, damit schnelle Manöver gefahren werden konnten. 

Dann kam der Start mit dem Kanonenschuss. Unter gerefftem Groß, Besan und Klüver drei kreuzten wir mit dem Strom aus dem Solent hinaus. Durchgehend sagte und zeigte der Ausguck an, welche Schiffe uns auf dem anderen Bug entgegenkamen und wann immer irgendwer gewendet hatte. 

Die ersten sechs Stunden nach dem Start blieben actionreich. Zwischendurch teilte sich das Regattafeld um einen großen Kreuzfahrer, der mitten im Solent vor Anker lag. Der Wind ging in Böen auf 40kn hoch, sodass wir die Fallen noch einmal nachsetzten. Motiviert trimmten wir den Klüver 3 bis wir zu einem Segelwechsel gezwungen wurden. Mit dem nun gesetzten Klüver vier und der Sturmfock kamen wir ebenfalls sehr gut voran. Um uns herum sahen wir immer häufiger fliegende Fallen und gerissene Segel.

Kurz bevor wir den Ausgang des Solents erreichten, kippte die Tide. Zwischen Hurst Castle auf der einen und den Felsen „The Needles“ auf der anderen Seite hatte sich eine chaotische und steile Welle aufgebaut. Das waren auch die beeindruckendsten Wellen, die wir auf der ganzen Reise zu sehen und zu spüren bekommen haben. Die vorbereiteten Sandwiches an Deck zu verspeisen wurde zu einer matschigen, salzigen, nahezu unmöglichen Angelegenheit. Inzwischen waren die meisten trotz Ölzeug ganz durchnässt. Zwischendurch tauchten in den Wellen über Bord gegangene Jon Buoys und Rettungsinseln auf. Martin war an der Funke Vollzeit beschäftigt: Um uns herum gab es versehentlich ausgelöste Man-over-Board-Signale, Mastbrüche, Verletzte und ein sinkendes Schiff. Die Besatzung des letzteren wurde relativ bald aus der Rettungsinsel geborgen, sodass wir nicht mehr dorthin geschickt wurden.

Zur Nacht starteten wir in den Wachrhythmus. Nachdem Jens den Start und die ersten sieben Stunden gesteuert hatte, wechselten wir uns jetzt ab, im Dunkeln die Wellen auszusteuern und fuhren ansonsten an Deck eher mit Sparprogramm, um die noch vorhandenen Kräfte etwas zu schonen. Über Nacht ging der Wind dann auf 15kn runter, sodass wir am nächsten Tag den Klüver zwei setzen konnten. An der Südküste Englands entlang ging es jetzt weiter bis Land´s End. Wir versuchten, wie alle anderen auch, einen guten Kompromiss zu finden zwischen mehr Wind weiter draußen und stärkerer Tide weiter unter Land. Bei Land´s End flaute es noch mehr ab. Dort konnten wir an einigen Schiffen vorbeiziehen, die weiter unter Land in der Flaute festhingen.

Dann wurden ein letztes Mal vor der Strecke über die offene See Wetterdaten geladen und wir bogen nordwärts ab, um nördlich an den Verkehrstrennungsgebieten bei den Scilly-Inseln vorbeizusegeln, da der Wind norddrehen sollte. An der Ecke des VTGs angekommen, konnten wir den Kurs dann gen Fastnet Rock richten.

Anschließend bekamen wir noch einmal 20 bis 25kn Wind. Diesmal konnten wir nach dem ganzen Kreuzen aber einen Schrick in die Schoten geben. Soweit lief alles gut, allerdings mussten wir dann feststellen, dass unsere Windex nicht mehr tat, was sie sollte – das waren keine drei Knoten von achtern sondern 15 von der Seite… Als der Wind und auch die Welle weniger wurden, ging es in den Mast, um sich das Ganze einmal anzuschauen und zu schmieren – leider nicht mit dem erhofften Erfolg. Auch die Genua stattete der im Salon notdürftig aufgemachten Segelmacher-Werkstatt einen Besuch ab, war aber schnell wieder einsatzfähig.

Etwa 100nm vor dem Rock fuhren wir dann wie befürchtet in die Flaute. Der Wind war ganz weg, die Genua wurde geborgen, weil sie nur nutzlos herunterhing und wir hatten keine Ruderwirkung mehr. Etwas frustriert wurden die letzten Versuche, irgendetwas dagegen zu tun, aufgegeben. Während sich das Schiff fröhlich im Kreis drehte, hängten wir die nassen Klamotten zum Trocknen auf, putzten etwas durch und starteten eine zweite Windex-Reparatur-Aktion. Dann kam der Wind langsam wieder, sodass wir die Segel wieder zum Stehen bekamen und das letzte Stück Hinweg antreten konnten. 

Erst konnten wir schon ganz lange die Irische Küste sehen, was ein bisschen dunstig in der Sonne sehr schick aussah. In der Abendsonne rundeten wir dann den Fastnet Rock. Zu diesem Höhepunkt gab es ein Abendessen am eingedeckten Tisch, ein Getränk und ein Eis direkt am Rock. 

Wir hatten viele andere Teilnehmer in unserer Nähe und es entwickelten sich spannende Zweikämpfe. Noch ging es Richtung Süden, bis wir das Fastnet VTG an Backbord lassen konnten. Jetzt waren wir auf dem Rückweg, den Kurs auf den Leuchtturm Bishop´s Rock bei den Scillies abgesetzt. Bei Südwestlichem Wind ging es erst Halbwinds, dann Raumschots weiter. 

Den Leuchtturm und die Scilly-Inseln bekamen wir tatsächlich auch zu Gesicht, bevor es auf die Zielgerade Richtung Cherbourg ging. Der Wind wurde immer stärker, es sollte noch eine Front durchgehen, die wir bis zum Ziel mitnehmen konnten. Mit Groß, Klüver zwei, Besan und Besanstagsegel sahen wir regelmäßig die dreizehn Knoten durchs Wasser. Die Steuerleute hatten viel Spaß dabei, die Wellen hinunterzusurfen – Geschwindigkeitsrekord: 14,7kn. Bei inzwischen 30kn Wind nahmen wir das Besanstagsegel weg, um weniger Ruderdruck zu haben. Manchmal ging es im Zickzack zwischen den Fischern durch, von denen wir viele trafen und auf die wir auch nachts immer ein Auge hatten.

Mitten in der Nacht hieß es dann „All hands on deck“ – eines der Schiffe, das schon eine ganze Weile in unserer in unserer Nähe war, hatte ein Man over Board gemeldet. Wir nahmen das Großsegel, sowieso schon im zweiten Reff, ganz runter, um flexibler zu sein. 

Zum Glück war das nur ein Fehlalarm, aber um das Groß wieder zu setzten war zu viel Wind. Schon vor dem eiligen Manöver war die Überlegung gewesen, das Groß zu bergen, weil der Baum immer wieder in die Welle getaucht wurde. Stattdessen entdeckten wir eine gute Besegelung, die darin bestand, das Besanstagsegel über dem Baum mit dem aufgetuchten Groß zu fahren, zusätzlich Klüver zwei, Sturmfock und Besan. Da es bei den Kanalinseln mit dem starken Gezeitenstrom noch einmal spannend werden würde und wir immer noch viel Wind hatten, blieb dies unsere Besegelung für den Zieleinlauf. 

Nach 4 Tagen, 20 Stunden, 1 Minute und 53 Sekunden, berechnet als 128. von 356 gingen wir durchs Ziel. Die Segel wurden geborgen, die Fender, die die ganze Regatta über ins Vorschiff weggesperrt gewesen waren, wieder herausgeholt. Im Hafen wurden wir von der Familie eines Crew-Mitglieds sehr nett begrüßt, die neben Willkommensdrinks alles vorbereitet hatten, um das im Trubel des Zieleinlaufs untergegangene Frühstück nachzuholen. Zu guter Letzt musste der Skipper dann noch baden gehen.

Insgesamt war es eine großartige Regatta mit vielen tollen Erfahrungen. Viele Schiffe, große Wellen, nasses Segeln, schnelles Segeln, viele Segelwechsel, im Bugkorb auf und ab hüpfen, Regattamodus, gute Manöver, spannende Entscheidungen, tolle Crew-Momente, ein Fels mit einem Leuchtturm, in Nachtwachen die ganzen Lichter der anderen Segler sehen, endlich wieder trocknen, im Wachsystem das Zeitgefühl verlieren, kaputt in die Koje kriechen und vieles mehr…

Angekommen? Check. Alle glücklich und zufrieden? Check.                                     

Dann können wir hier ja gut Schluss machen. Viele Grüße von der Fastnet-Crew!

(Erlebnisbericht von Rike Albat)

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